Pascal Bersier hat in seinem Artikel vor vier Wochen ein “neues” Banking gefordert, das aber keiner tut. Aus seiner Sicht gilt es die Kundenorientierung von Banken zu verbessern. Klingt erstmal gut. Bei den weiteren Ausführungen, wird aber gar nicht so sehr auf die eigentlichen Probleme Schweizer Banken eingegangen, sondern viele Punkte miteinander vermischt, die es zu trennen gilt. Ansonsten ist Kundenorientierung alles und dann meistens eben nichts. Kundenorientierung ist aber nicht nur ein Schlagwort, sondern ein Managementmodell und eine Denkhaltung!
Einer seiner Thesen ist, dass junge Unternehmen beweisen, wie erfolgreich sie sind, wenn sie Angebote auf Basis wirklicher Kundenbedürfnisse entwickeln. Gerade in der Bankenbranche sieht aber vieles mehr nach Uber aus, denn wirklich nach einem profitablen Geschäftsmodell (aktuelle haben Fintechs in der Schweiz 0,1 Prozent Marktanteil) . Dass muss nicht immer so bleiben, aber die Erfolge sind überschaubar und das trotz der seit Jahren anhaltenden Untergangsstimmung. Kundenorientierung baut nicht auf Kundenbedürfnissen alleine auf, sondern auf der Balance zwischen Kundennettonutzen und Kundenwert. Das grösste Missverständnis der Digitalisierung ist ja gerade, dass Kundenbedürfnis mit Kundenwert gleichzusetzen ist und da zeigen viele der hochgelobten Marken massive Schwächen in der finanziellen Performance.
Darüber hinaus wird auf Customer Experience eingegangen. Hier gibt es anscheinend im Banking grosses Potential. Obwohl Customer Experience in der gesamten Schweiz nicht gerade hoch ist (siehe diverse Studie) und die Thurgauer Kantonalbank die besten Customer Experience in der Schweiz bietet (aus Sicht der Kunden). Somit kann dieser Aussage auch nicht wirklich gefolgt werden. Die Customer Experience Schweizer Banken ist sogar überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Branchen (aber eben insgesamt nicht wirklich hoch). Warum steht diese Branche dann so stark am Pranger?
Dann folgt die Begeisterung gegenüber Revolut. Ziel muss es anscheinend sein, möglichst günstig und einfach zu sein. Aldi und Lidl sind kundenorientierte Geschäftsmodelle aber ist es wirklich das Ziel, dass in Zukunft alle Unternehmen möglichst günstig sind und eine hohe Convenience anbieten? Denner hat ja auch nicht wirklich “überlebt”. Diese Verbindung zwischen Kundenorientierung und Einfachheit ist schmerzlich. Es gibt so viele Apps, die sind super einfach zu bedienen aber nicht erfolgreich. Günstig und eine hohe Convenience sind wichtige Kundenbedürfnisse aber eben nicht für jeden und alles. Zumal es viel Fantasie bedarf, wie ein kleines britisches Unternehmen mit einer litauischen Banklizenz in einem Preiskampf von Schweizer Banken geschlagen werden soll.
Kundenorientierung setzt viel fundamentaler an: unter anderem den Mehrwert für das Unternehmen und den Mehrwert für die Kunden zu steigern. Aktuell ist die Kundenorientierung bei Banken somit gar nicht so gering. Die Banken bieten Kunden, die nicht bereit sind mehr zu bezahlen und nicht mehr vertrauen, standardisierte, hinsichtlich Regulatorien angepasste Angebote an. Auch die Prozesse sind auf immer kritischer werdende Kunden (eben auch nicht ganz freiwillig), die nicht mehr vertrauen, angepasst worden.
Somit steht nicht die Kundenorientierung von Banken auf dem Prüfstand, sondern in Anlehnung an die Deutsche Automobilindustrie, die Wachstumsmöglichkeiten. Wollen Schweizer Banken in Zukunft Zulieferer der Finanzbranche sein oder wollen sie aktiv, vor allem auch im internationalen Kontext, Wachstumspotentiale für sich nutzen? Dann gilt es über kundenorientierte Wachstumsmöglichkeiten nachzudenken. Die über Jahrzehnte vernachlässigten Kompetenzen im Bereich Preismanagement, Markenführung, Kundendatenmanagement und die völlig verschlossenen Organisationen lassen nur einen Schluss zu, dass die Ausgangslage mehr als herausfordernd ist. Kundenorientierung stellt viel stärker die Organisation ins Zentrum als die Leistung für den Kunden. Für Wachstumsstrategien ist das Level an Kundenorientierung von Banken, wie ein Fahrrad fürs Fliegen.
Die Kundenorientierung von Banken darf nicht missverstanden werden. Wenn die Kunden immer weniger zahlen und die Loyalität sinkt, kann ein Unternehmen die Kosten reduzieren und/oder neue Wachstumsfelder suchen. Bisher haben Banken auf Kostenreduzierung gesetzt und das ist durchaus kundenorientiert. Ob diese Strategie noch weitere 10 Jahre verfolgt werden kann, wird sich zeigen.
Kundenorientierung ist ein klar definierter Begriff, der nicht nur für möglichst geringe Kosten oder Convenience steht. Nicht mehr die Kundenbedürfnisse sondern der Kundennettonutzen und der Kundenwert stehen im Zentrum dieses Managementmodells. Kritik hinsichtlich Wachstumsmöglichkeiten gegenüber Banken ist angebracht. Aber dann sollten sich die Aussagen darauf beziehen, wie neue Wachstumsmöglichkeiten entwickelt werden. Sich am Kundenwert zu orientieren, kann hilfreich sein…